Gedanken zur Geschichte

Trost: Jesus lässt sich anrühren vom Anblick der Witwe, die zusätzlich zum Verlust ihres Sohnes auch ihre Existenzsicherheit verloren hat und wendet sich ihr zu. Trost ist ohne Zu-Wendung nicht denkbar. Rund um eine Tat, die letztlich in ein Gefängnis geführt hat, gibt es viele Trostbedürftige – nicht weniger als andere, sind es auch die Täter.

Ermächtigung: Dem Jüngling, der leblos auf der Bahre liegt und zu seinem Grab getragen wird, wendet sich Jesus zu und sagt: „Steh auf!“, oder: „Stell dich auf deine Füße!“ Oder: „Übernimm Verantwortung für dich!“ Im zugewandten Gegenüber-Sein glauben wir, dass Kräfte sich entfalten können, die die Lebensgeister Hoffnungsloser (wieder) wecken.

Resonanz: „… und fing an zu reden“. Dieser unscheinbare Zusatz in dieser Geschichte zeigt die Lebendigkeit des Auferweckten in seinem Selbstausdruck. Er findet Worte und Gestalt. Um die je eigene Stimme zu entlocken, braucht es so etwas wie einen Resonanzraum im aktiven Zuhören und Fördern verschiedener Ausdrucksmittel.

Versöhnung: „Und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück“. Hier wird zum einen eine Grundbeziehung zur eigenen Herkunft angedeutet, zum anderen kommt das Zurückkommen in die Gesellschaft zum Ausdruck. Seelsorge will dazu beitragen, dass Brücken gebaut werden zwischen Menschen, die sich verloren haben und jenen, die „zurück“ kommen. Sie hört nicht an den Gefängnismauern auf, sondern versteht sich als Vermittlerin zu Angehörigen, geht manchmal Haftentlassenen nach und versucht, Aufmerksamkeit und Verständnis für Menschen am Rande der Gesellschaft zu wecken in Unterricht, Predigt und Öffentlichkeitsarbeit.

Dieses Da-Sein, diese Zu-Wendung, entspringt unserer tiefsten Überzeugung, die sich in unserem Motto widerspiegelt: „Was anderes kann Liebe wecken, als Liebe selbst“ (John Wesley). Gerade in einem System, in dem „Strafe“ vollzogen wird, die bestenfalls möglicherweise etwas verhindern kann, glauben wir an eine Liebe, die über uns ist und durch uns hindurch Leben weckt und ermöglicht.